Mythen und Aberglaube, entzaubert?
"Die Oldtimer-Praxis hat vor einer Weile mal einen lustigen Test gemacht: Man nehme ein geschlossenes Gefäß, lege einen Vergaser und ein paar Benzinschlauch-Stücke herein und fülle es mit Super plus, Super E5, Super E10, E85 und Super E5 mit irgendeinem Wunderzusatz auf.
Anschließend lasse man es ein Jahr stehen, motte es aus und -oh Wunder-: Wie nicht anders zu erwarten, waren alle Vergaser und Benzinschläuche ein Raub des Kraftstoffs, mit Ausnahme des in E10 gelagerten Zeugs, das zumindest noch halbwegs brauchbar war.
Musste auch so kommen, denn bei E5 ist Aluminium gegenüber wesentlich aggressiver als E10, da in E5 der mittlere Molekül-Abstand zwischen den Alkohol-Molekülen zu groß zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen ist. Wie gesagt: Nicht ohne Grund war zur Vergasermotor-Zeit Akohol (in Form von Isopropanol oder Methanol ausreichender Konzentration) fester Bestandteil der Benzin-Rezepturen.
Also ist die "zerstörerische Kraft" des E10-Treibstoffs nur eine Stammtischlegende?
Ja. Lustigerweise ist -unter normalen Drücken und Temperaturen- E5 gegenüber Aluminium und Kunststoffen problematischer als E10. Wie schon gesagt: Es gibt einen gewissen Konzentrationsbereich, in dem die Alkoholmoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen lieber "miteinander spielen" statt mit Oberflächen. Bei Ethanol sind es um die 10%, bei Methanol knapp 5%, bei Isopropanol um die 7%. Deshalb hat Benzin bis in die 80er 3-4 % Methanol enthalten, oder 7-8 % Isopropanol.
Wenn man dann mit der Alkoholbeimischung weiter hoch geht, wird's wieder aggressiver. Wobei das in Deutschland lange Jahre übliche E20 ohne besondere Vorkehrungen für Motoren "verdaulich" gewesen ist.
Ansonsten hat es bei der E10-Einführung viele Mißverständnisse durch falsche Recherche oder unglückliche Kommunikation gegeben.
So gab es zum Beispiel das Gerücht, E10 sei nicht lagerfähig. Ursprung war eine Äußerung des Aral-Sprechers, man habe große E10-Vorräte, die nun weg müssten, weil man sie nicht länger aufbewahren könne. Irgendein Presse-Witzbold hat daraus eine mangelnde Lagerstabilität konstruiert, dabei war es März, als der Aral-Sprecher das gesagt hat. In den Tanks war jede Menge Winterbenzin, und das muss nunmal bis April raus sein, weil es danach nicht mehr verkauft werden darf. Und Aufheben bis Oktober, wenn der Verkauf wieder legal ist, ist unmöglich, weil es dafür keine Lagerkapazitäten gibt.
Dann kam die Scherzmeldung, E10 greife Gummiteile an. Ursprung war die Verwendung der Formulierung "Quellangriff auf Gummiteile" in einem Vortrag. Dem Urheber -Chemiker von Beruf- war überhaupt nicht klar, dass "Normalos" den Begriff "Quellangriff" nicht kennen und falsch verstehen können. "Angriff" bedeutet in diesem Zusammenhang "Wechselwirkung", nicht "Zerstörung". Ohne den "Quellangriff" wäre keine Gummidichtung an kraftstoffführenden Teilen dauerhaft dicht - es sind eindiffundierende Benzinbestandteile, die die Gummiteile weich und prall halten.
Dann hätten wir noch das Wasser im Benzin: Das Gerücht ist immerhin halbwahr und stammt aus der Einführungsphase von E5 und E10: Nach vielen Jahren alkoholfreiem Kraftstoff waren Raffinerie- und Tankstellentanks ein Bisserl feucht. Und so wurde in der Einführungsphase der Sprit in den Lagertanks etwas feucht. Dieses Problem, das E5 genau wie E10 betroffen hat, ist aber seit Jahren "durch".
Dann gibt's die Mär' vom Aluminium, das vom Alkohol zerfressen wird. Wenn man bedenkt, dass Wodka in Aluminiumflaschen angeboten wird, klingt das per se etwas unplausibel. Hintergrund war eine Rail von Bosch (Hauptabnehmer waren VW, Opel und Mercedes), die aufgrund eines Verarbeitungsproblems E10-Empfindlich ist. Dieses "Aluminiumpoblem" von E10 tritt aber nur bei hohen Temperaturen und gleichzeitig sehr hohen Drücken auf - also Bedingungen, die in einem Vergaserfahrzeug oder einem Saugrohreinspritzer nicht auftreten können."