K1 und K100 RS 16V - Die Vierventiler

 

Viele Motorradfahrer stellten BMW bei der Vorstellung der K100 die Frage, warum man sich mit 90 PS begnügt hatte. Die Importeure der japanischen Hersteller hatten sich für Deutschland bei der Vorstellung der Honda CBX –mit 105 PS Ende der 70er Jahre das stärkste Serienmotorrad- darauf geeinigt, es freiwillig künftig bei 100 PS bewenden zu lassen. Schön und gut, aber nun präsentierte BMW eine Tausender modernster Bauart und erklärte, 90 PS seien genug ? BMW wurde nicht müde zu erklären, dass es für die Selbstbeschränkung auf „nur“ 90 PS gute Gründe gab. Zum einen sorgte die gute Aerodynamik für ohnehin hohe Endgeschwindigkeiten. Zum anderen ergab die Auslegung des Motors einen sehr angenehmen Drehmomentverlauf sowie günstige Abgas- und Verbrauchswerte. Jedenfalls war man überzeugt, dem „normalen“ Motorradfahrer bereits Leistung im Überfluss zu bieten. Dass derweil zumindest grau importierte Motorräder mit bis zu 145 offiziellen PS reißenden Absatz fanden, stand auf einem ganz anderen Blatt. Auf Dauer konnte BMW diese Entwicklung nicht ignorieren. Bei den Pkws hatte BMW besonders starke Modelle mit dem “M“, dem Logo der Motorsportabteilung geschmückt. Als 1986 das K100 RS-M Sondermodell erschien, dessen Äußeres mit blau-roten Zierlinien, geänderten Federungselementen und viel schwarzer Farbe ebenfalls im „M“-Design daherkam, witterten die Kritiker Morgenluft: würde die K nun 100 PS haben ? Sie hatte nicht, und doch entstand in dieser Zeit heimlich bei BMW eine Art „Über-K100“.

 

 

Man hatte sich die Wünsche der Kunden zu Herzen genommen und den Vierzylinder kräftig überarbeitet. Die Bohrungen der Zylinder standen sehr eng zusammen, so dass man aus damaliger Sicht nicht einfach den Hubraum aufstocken konnte. Stattdessen wählte man einen Vierventilkopf mit je zwei 26,5mm Einlassventilen (K100: einmal 34 mm). Auf der Auslassseite betrug der Durchmesser 2 x 23mm (K100: einmal 30mm). Die bislang zur Einstellung der Ventile verwendeten Ausgleichsscheiben entfielen. Stattdessen wurden Tassenstößel in verschiedenen Stärken verwendet, zu deren Austausch nun jedoch die Nockenwellen ausgebaut werden mussten. Die um 1,3 kg erleichterte Kurbelwelle ergab ein spontaneres Hochdrehen des Motors. Durch einen gegenüber der RS abermals länger übersetzten Antrieb und einen längeren 5. Gang erreichte man, dass das Motorrad seine dazugewonnene Kraft auch umsetzen konnte. Immerhin wurde schon der Vortrieb der 90PS-Version durch den Drehzahlbegrenzer gezügelt! Während das maximale Drehmoment von 86 auf 100 Nm stieg, trug der Drehmomentverlauf im wichtigen mittleren Drehzahlbereich leider eine hässliche Beule davon –BMW hatte uns gewarnt...

Dieser Motor, dem „motorrad, reisen & sport“ im Juli 1988 spontan „knapp 110 PS“ bescheinigte –zu diesem Zeitpunkt existierten gerade mal ein paar unscharfe Fotos- wurde auf der IFMA 1988 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Münder der Betrachter blieben weit offen: so ein Motorrad hatte man BMW nicht zugetraut. Man hatte sich nicht etwa damit begnügt, eine schnelle K100 RS zu bauen. Stattdessen wurde ein Supersportler namens „K1“ gezeigt, dessen äußere Hülle –BMW sprach von einer „Karosserie“- fast das gesamte Motorrad verkleidete. Angefangen beim zur Hälfte verschalten Vorderrad über die großflächige Vollverkleidung bis hin zum pausbäckigen Heck (hier verbargen sich Staufächer) sah man wenig vom eigentlichen Motorrad. Von völliger Ablehnung bis zur totalen Begeisterung reichten die Reaktionen. Gleichgültig stand niemand der neuen K1 gegenüber. Interessant in diesem Zusammenhang: Honda stellte fast zeitgleich die CBR-Baureihe mit ebenso vollständiger Verkleidung vor, auch daran musste man sich erst gewöhnen. BMW hatte jedenfalls mit einem Cw x A-Wert von nur 0,34 bei liegendem Fahrer erneut die (Windkanal-) Nase vorn, so dass die K1 mit rund 240 km/h gestoppt wurde. Wohlgemerkt: mit 100 PS und Kardanantrieb !

 

 

Allzu leicht wurde man aber durch die Formgestaltung der K1 davon abgelenkt, dass hier eine technisch erheblich verbesserte K100 ausgestellt wurde. Bei der Einführung der G/S-Enduro hatte BMW den Paralever vorgestellt. Diese Schwingenkonstruktion, die eine zusätzliche Momentabstützung zwischen Endantrieb und Getriebe beinhaltet, war nun auch an der K1 zu finden. Die Kardanreaktionen wurden damit fast vollständig eliminiert, ohne dass die Schwinge verlängert werden musste. Der hintere Federweg konnte sogar um 19 auf 140mm verlängert werden. Vorn dagegen reduzierte man den Federweg auf 135 statt 175mm. Die Rahmenrohre wurden zur Versteifung im Querschnitt verstärkt. Die vordere Doppelscheibenbremse wurde auf 305 mm vergrößert und mit Vierkolben-Bremssätteln bestückt, hinten blieb es bei der K100-Bremse. ABS war seit 1988 für alle Modelle gegen Mehrpreis lieferbar (1980 DM). Verbreiterte Dreispeichenfelgen nahmen moderne Niederquerschnittsreifen der Dimensionen 120/70-17 und 160/60-18 auf –natürlich in der VR-Geschwindigkeitsklasse !

Endlich gab es auch ein zentrales Zünd-Lenkschloss; die bisherige Lösung mit seitlichem Neimann-Lenkschloss war besonders bei den verkleideten Versionen arg fummelig.

Die Motronic von Bosch ersetzte die bisherige LE-Jetronic. Sie steuerte nunmehr Zündung und Einspritzung mit einem gemeinsamen Rechner und arbeitete ohne leistungsmindernden, weil im Luftstrom liegenden Luftmengenmesser. Sie ermöglichte weltweit erstmals die Verwendung eines (optionalen) G-Kat im neugestalteten Auspuff. Zudem beinhaltete die Motronic einen Fehlerspeicher, der vom Händler ausgelesen werden kann. Es sollte noch bis 1989 dauern, bis die K1 zu den Händlern kam. Zum Gepäcktransport hatte man ein spezielles Taschenset entworfen, da das BMW -Kofferprogramm nicht an die neue K1 passte. Die Staufächer im Heck waren mit je sieben Litern Inhalt eher auf kleines Gepäck ausgelegt. Fünfmal hintereinander war die K100 RS in Deutschland „Motorrad des Jahres“, 1988 wurde es die BMW K1...!

 

Die Technik der K1 wurde Ende 1989 für die K100 RS übernommen. Optisch erkannte man die K100 RS 16V an der Paraleverschwinge und den breiten Rädern.. Wer also mit den Details der K1 liebäugelte, ohne sich mit der Optik anfreunden zu können, bekam hier den gewünschten „Wolf im Schafspelz“. Das waren nicht wenige Käufer, denn die K100 RS 16V war klar das alltagstauglichere Modell, für das unter anderem Koffer, Gepäckträger und verschiedene Sitzbänke lieferbar waren und das mit mehr Handlichkeit glänzte. Technisch unterschieden sich die Modelle nur in der Endübersetzung und durch die gummigelagerte Motoraufhängung bei der RS

 

 

Die luxuriöse BMW K100 LT, 1986 erstmals vorgestellt, behielt übrigens bis zum Produktionsende den 90PS-Zweiventiler. Der glatte Drehmomentverlauf war wichtiger als zehn Mehr-PS, die im Tourer wohl kaum zum Tragen gekommen wären. Schade allerdings, dass dadurch der G-Kat nie für die LT lieferbar war.

Noch bis Ende 1993 wurde die K1 gebaut. Zum Abschied legte BMW noch eine Sonderserie „Ultima“ auf. Das gelb lackierte Motorrad mit silbernen Felgen und schwarzem Compact Drive markierte zugleich nach zehn Jahren Bauzeit das Ende der gesamten K100-Serie. Bereits ein Jahr zuvor war die K100 RS 16V vom 1100er Nachfolger abgelöst worden. Die K100 LT wurde gar schon 1991 eingestellt.