Moosi kriegt den Blues - Geschichte einer nicht geplanten Hardcore-Schrauberei

  • Tja, irgendwann bei der Annäherung an die 2er Schnapszahl musste ich leider feststellen, dass meine treue K75 von '92 - einigen im Flying-Brick-Forum unter dem Spitznamen Moosi (warum wohl?) bekannt - wohl heftigere Herzprobleme hatte: Sie wollte auch auf der flachen Landstraße nicht mehr über die 90 raus, und zeigte mir im 2. Zylinder nach der Zündkerzenentnahme ein öliges Etwas: Sie lief halt nur noch auf ca. 2,3 Zylindern ...

    Nach Nachfrage absehbarer Kosten für die Motorüberholung, Reflektion und Diskussion dann die Entscheidung, doch eher ein jüngeres Nachfolgemoped zu beschaffen. Es sollte aber wieder eine K75 werden, weil ich weiterhin von deren Laufkultur, der allgemeinen Zuverlässigkeit, der Sitzposition und dem durchaus erträglichen Durst sehr angetan bin. Beim Durchgehen des FB-Marktplatzes fiel mir eine dort angebotene K75 wohlwollend ins Auge: Zwar letztlich gleichen Baujahrs, aber mit 80 Mm noch nicht mal ganz eingefahren, offensichtlich gut in Schuss gehalten/gebracht und zu einem akzeptablen Preis. Außerdem endlich mal eine Nicht-Schwatte, sondern in dezentem Blau gehalten - etwas, was ich mir schon Jahrzehte gewünscht habe, aber bei den bisherigen Gebrauchten nie bekommen habe. Blöderweise in Brandenburg stehend und nach Bayern sollend. Nachdem ich von einem anderen, bekannt kompetenten Forumsmitglied aus Berlin, der schon selber an der Maschine geschraubt hatte, bestätigt bekam, dass die Maschine auch innen hui wäre, hab ich sie dann unbesehen gekauft und nach Bayern verfrachten lassen: Die Erwartungen an den Zustand wurden voll und ganz erfüllt!

    Da mir einige von Moosis über die Jahre selbst angeschraubten Details im Lauf der Zeit wichtig geworden sind, war ein wenig Schrauberei schon eingeplant: Den längeren Endantrieb (9% länger, macht angenehm niedrige Drehzahlen), die breiteren Reifen (110/140 statt 100/130), den Givi-Gepäckträger für drei beliebig tauschbare Koffer und den höheren Lenker (Fremdprodukt, ca. LT-Niveau) wollte ich von Moosi per Hofschrauberei auf die neue, in Blau gehaltene Maschine wechseln. Das hätte ich durchaus in Eigenregie auf dem Hof hinbekommen.

    Leider musste ich feststellen, dass frische Liebe schon irgendwie blind macht und einem dann irgendwann die Augen aufgehen, wenn man in der harten Realität wieder ankommt: Ich hatte einige mit eingekaufte Eigenschaften blöderweise übersehen oder falsch eingeschätzt:

    # Die neue hatte kein ABS. Das wollte ich aber weiter beibehalten. Leider sehen die Regularien vor, dass man das ABS nicht nachrüsten kann.

    # Die schicke geschwungene, kleine Scheibe an der Neuen hindert (mittel-) alte Frauen wie mich am Aufsteigen, weil ich, ohne mich mit dem Oberkörper nach vorne bis über den Tacho zu lehnen, das rechte Beinchen hinten nicht mehr so einfach über den Sattel kriege. Dann kollidieren aber Helm und Scheibe.

    # Die Neue hatte keinen U-Kat. Der drückt aber die Standgeräuschemission auf die österreichverträglichen 95 dB - nicht so ganz unwichtig, wenn die Maschine in Südbayern bewegt wird. Den Kat hätte man natürlich einfach durch Umschrauben des alten Endtopfs auf die Neue umsetzen können, aber dann wäre trotzdem wohl 'ne neue Geräuschmessung mit entsprechender weiterer Umtragung in den Papieren erforderlich geworden. Denn darauf gucken die Ösis im Zweifelsfall.

    Da auch die anderen gewünschten Detailübernahmen jeweils Eintragungen erforderlich gemacht hätten, reifte allmählich der kühne Entschluss, wesentliche Teile der neuen Maschine in den alten Moosi-Rahmen rüberzuschrauben, der ja schon alle erforderlichen Eintragungen hatte - und noch ein Jahr mehr TÜV. ;) Das hätte ich mir allerdings alleine mit Sicherheit nicht zugetraut, und erst recht nicht, wenn ich nur in Igling auf dem Hof hätte schrauben können. Netterweise hat sich unser MacLurk aus dem FB-Forum (Bernd) dazu hinreißen lassen, mich (massiv) bei der Schrauberei zu unterstützen. Und zweitnetterweise habe ich durch einen sachdienlichen Hinweis eines hiesigen Eingeborenen eine kleine Hinterhofwerkstatt (ehemals für Landmaschinenwartung) nur 500 m Luftlinie von meinem bayerischen Wohnort gefunden, in der so eine Schrauberaktion mit einiger werkstattüblicher Infrastruktur, insbesondere motorstützende Hubwagen, stattfinden konnte.

    Diese Aktion hat dann am letzten Wochenende stattgefunden. Wobei Bernd insgesamt definitiv Recht behalten hat, dass bei Schrauben, die seit ihrer Erstzusammenschraubung vor 31 Jahren nicht mehr angefasst worden sind, schon so die eine oder andere Überraschung auf einen wartet. Und die kleinen, aber feinen Unterschiede zwischen ABS- und Nicht-ABS-Maschine einem schon beim Zerlegen und erst recht beim Wiederzusammensetzen ziemlich nerven können und teilweise Anpassungen erfordern: z.B. ein 50 mm Loch in der Hinterwand des Bürzels, um diesen riesigen Stecker zum ABS-Steuergerät durchreichen zu können, das dort positioniert ist. Außerdem ist das ABS-Geraffel als "Balkonsystem" am ursprünglichen Fahrzeuglayout ja teilweise am Rahmen, teilweise an den Getriebeteilen angeschraubt, was letztlich ein filigraneres Auseinanderteilen erfordert hat. Netterweise immerhin ohne die Notwendigkeit, die Bremsleitungen aufzutrennen.

    Wir haben erfreulicherweise jeweils Motor, Getriebe, Hauptständer und Kardantunnel zusammenlassen können und die darüber liegenden Rahmen abheben und entsprechend tauschen können. Natürlich haben wir so viele neuere Teile wie möglich mit transferiert. Letztlich ist so eine bunte Mischung aus alt und nicht ganz so alt (was die gefahrenen km angeht) entstanden, hauptsächlich:

    # alter Rahmen (wg. Eintragungen) mit ABS-Infrastruktur

    # neues Steuergerät

    # alter Kabelbaum

    # neuer Motor + Getriebe + Kardantunnel

    # neuer Kühler mit Verkleidung

    # altes Federbein (das neuere Wilbers geht leider bei ABS nicht)

    # neue Vorderradgabel mit Kotflügel

    # alter Auspuff-Endtopf mit U-Kat

    # neues Auspuff-Hitzeschild

    # neuer Tank

    # altes Tankschloss (wg. Gleichschließung)

    # neue Farb-/Lackteile (Kotflügel, Tank, Bürzel)

    # alte Kardanwelle + Endantrieb

    # alte Räder

    # neue Sitzbank

    # alter Givi-Gepäckträger

    # kein Windschild

    (Noch umzuschrauben: neuer Gaszug, neue Brotdose, neue Griffarmaturen)

    Ich hätte diese Aktion, die dann insgesamt 2 volle Schraubertage (+ einen Solo-Schraubnachmittag) erfordert hat, niemals alleine hin bekommen und möchte mich hiermit noch mal herzlich bei Bernd bedanken, der aufgrund seiner Erfahrung mit einer selbst restaurierten K100 die wesentliche Erfahrung, Detailkenntnisse und Geduld in diese Aktion eingebracht hat. Ich habe entsprechend ihm nach besten Kräften assistiert - nicht umgekehrt.

    Ganz zum Schluss, als wir beide nach zwei Tagen Schrauben schon arg fertig waren, kam dann noch der Schreck in der Abendstunde: Beide voll zusammengeschraubten Maschinen wollen partout nicht starten: Anlasser wollte nicht drehen! Bernd hat den dann aber bei der Fehlersuche problemlos per Starterrelaisüberbrückung angeworfen bekommen, worauf mir dann schließlich noch einfiel, dass man eine (zumindest nach dem Empfinden der Maschine selbst) nicht auf Neutral stehende Maschine bei gezogener Kupplung starten kann. Das war dann der entscheidende Punkt: Nach kurzem Durchschalten durch die Gänge wurde sich das Steuergerät wohl des dann auch wieder grün aufleuchtenden Leerlaufs bewusst und muckte danach nicht mehr - bei der neuen Maschine.

    Beim nun übrig gebliebenden, immerhin noch selbst fahrenden Restteileträger war der Effekt ähnlich: Er ließ sich auch durch Starterrelaisüberbrückung starten, wollte aber den Leerlauf nicht erkennen: Die grüne Lampe blieb auch aus. Da kam uns letztlich der Zufall zu Hilfe: Der Werkstattbesitzer, der unsere Aktion mit Interesse verfolgt hatte und uns beim Umsetzen der Rahmen auch die eine oder andere hilfreiche Hand geliehen hat, hatte aus dem Augenwinkel ein kurzes Aufflackern der grünen Neutrallampe erhascht. Worauf sich das dann als Kabelbruch oder Steckerproblem identifizieren ließ. Jedenfalls hat Bernd dann noch durch gezielte Akupressur mit Fixierung dafür gesorgt, dass das Grün bei realem Leerlauf konstant anblieb. Worauf ich beide Maschinen letztlich wieder die 500 m zurück zum heimischen Hof fahren konnte und nicht schieben musste.

    Ich habe vorgestern eine erste Probefahrt mit der neu zusammengestellten Maschine gefahren, und die hat mich schon mal ordentlich überzeugt, auch wenn einige Details noch umzuschraubem sind. Wegen des neuen, frischen Blaus der Lackteile hat Moosi nun jedenfalls den Blues gekriegt - und heißt ab jetzt Bluey! ;)

    Jedenfalls ist mein "Überbrückungsmotorrad", eine BMW R850R, die ich mir in Vorahnung der nicht so ganz unkomplexen Umschrauberei als Zwischenmotorrad angelacht hatte (mit ca. 138 Mm auf der Uhr, wovon immerhin ca 1200 km nun schon auf meine Kappe gehen), gefühlsmäßig wieder absolut abgemeldet. Will sie jemand?

    Verbrauch K75: unter 4.5 L/100km.
    Mein Haupthobby: Elektronisch Krach machen
    Einfach mal online Quasseln? Lass uns uns zu einem virtuellen Schwätzchen z.B. per Jitsi treffen! (Vorher Termin absprechen!)

    Edited once, last by PetRooAC (November 4, 2023 at 7:34 PM).

  • Schöne Geschichte - und wieder mal ein Beleg dafür, dass das Schrauben an einer K wie Lego für Grosse ist :thumpup:. Meine 75er ist mittlerweile ein Puzzle aus Original, 16V Fahrwerk und Bremsen und 12er Felgen - macht Spass.

    Aber:

    Will sie jemand?

    Das gehört in den Marktplatz :lollol:

    Dominik ZH

    K1300GT (ZW03566, 8.09) / K1100S (ex RS) (0199457, 4.94) / K100RS 16V (0203406, 4.91) / K75S (0213722, 4.94)

  • Ja, die Zweitagesession zusammen mit Petra hat viel Spaß gemacht.

    Der Spruch "K's sind wie Lego für Erwachsene" stimmt wirklich. Es ist immer wieder überraschend, wie logisch und gut durchkonstruiert diese Maschinen sind.

    Aufgrund mechanisch-biologischer Prozesse war es allerdings bei Moosi "etwas" aufwändiger Schraubverbindungen zu lösen, da war die Spendermaschine weitaus

    leichter zu beschrauben.

    Überraschenderweise musste bei der Spendermaschine die Schwinge ausgebaut werden, da die Kardanwelle sich nicht nach hinten ausziehen lassen wollte.

    Da das HA-Getriebe von Moosi wegen der angenehmeren Übersetzung beibehalten werden sollte, war das wegen der unterschiedlichen Zähnezahl der Kardanwelle erforderlich.
    Bis auf die zum Schluß auftretende Schreckviertelstunde - keine der beiden Delinquenten wollte sich zunächst starten lassen (Gründe siehe oben in Petra's Bericht), verlief alles echt problemlos.

    Es war zwar kein kontemplatives Schrauben angesagt, aber zusammen mit Petra und dem zeiweilig mit anpackenden Werkstattbesitzer war es eine, in sehr kooperativer und kurzweiliger Atmosphäre abgelaufene, gelungene Aktion.

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