Gespanne auf Basis der K-Modelle

 

Motorradfahren als Hobby, das einsam macht ? Nicht bei den Gespannfahrern. Hier kann die ganze Familie mit auf Tour gehen, natürlich mit Gepäck, denn auch ein Kofferraum gehört zum Standard. Gespanne sind fast so alt wie das Motorrad selbst und gehörten früher wie selbstverständlich zum Straßenbild. Nach dem zweiten Weltkrieg waren Autos für viele unerschwinglich, und skurrile Kleinstserienfahrzeuge aus Segeltuch, Kunststoff oder Sperrholz sollten nach dem Willen Ihrer Hersteller für die Mobilisierung der Bevölkerung herhalten. Da erschien so manchem ein Motorradgespann als solidere Alternative. Zu dieser Zeit waren viele Motorräder schon ab Werk gespanntauglich und verfügten bereits über entsprechende Anschlüsse. Firmen wie Steib boten passende Seitenwagen an, und der Anbau an das Motorrad war ebenso schnell erledigt wie die Rückrüstung zur Solomaschine. Dank der noch geringen Motorleistungen, der elastischen Speichenräder und der Tatsache, dass Vorderradschwingen Standard waren, musste die Zugmaschine kaum verändert werden. Schon damals gab es bei den Gespannfreunden einen klaren Favoriten: BMW.

 

Noch zehn Jahre nach seinem Debüt 1992 ist das EML K1-Gespann ein echter “Eyecatcher”. Besonders die K1, bei der ja bekanntlich Gepäckraum knapp ist , gewinnt aber nicht nur optisch durch den Umbau.
Die Reisequalitäten des Sportlers kommen so erst richtig zur Geltung.

 

Auch heute noch ist BMW eine der bevorzugten Marken, wenn es um Gespannumbauten geht. Der Umbau selbst ist jedoch mit der damaligen Zeit nicht mehr zu vergleichen. “Gespanntauglich” im damaligen Sinn ist heute, von Fabrikaten wie Ural, Dnepr und Donghai abgesehen, kein Motorrad mehr. Das bedeutet, dass nicht BMW als Hersteller der Zugmaschine die Gespanntauglichkeit prüfen lässt. Diese Aufgabe übernimmt heutzutage der Gespannbaubetrieb, der modellbezogene Umbauten anbietet.

Der Hilfsrahmen

Wie sieht nun ein solcher Umbau aus, wenn es um die K-Modelle geht ? Als wichtigste Änderung muss natürlich erst einmal eine Anschlussmöglichkeit für den Seitenwagen geschaffen werden. Die frühen K -Modelle (K75, 100, 1, 1100) weisen einen unten offenen Brückenrohrrahmen aus Stahl auf, der Motor ist mittragendes Teil. Darum wird ein Hilfsrahmen montiert. Dieser verbindet die Montagepunkte der Ständergrundplatte unterhalb des Getriebes, die vordere Motoraufhängung und den Steuerkopf des Motorradrahmens, so dass der Rahmen nunmehr unten geschlossen ist

 

Hilfsrahmenkonstruktion von EZS am Beispiel K100 LT. Eine geänderte Steuerkopfachse nimmt den Hilfsrahmen per Schraubverbindung auf. Andere Hersteller klemmen den Hilfsrahmen mit Schellen am Originalrahmen fest.

Schön zu sehen: die Verbindung zur vorderen Motorhalterung. Der Rahmen endet unterhalb des Getriebes, dort, wo bei der Solomaschine der Hauptständer sitzt.

 

Am Hilfsrahmen befinden sich die Seitenwagenanschlüsse. Firmen wie Edmund Peikert führen ein breites Sortiment an Anschlussteilen, so dass praktisch jeder Seitenwagen hier adaptierbar ist. Besonders interessant: selbst die großflächig verkleidete K1 kann auf diese Weise elegant umgebaut werden, wie die Firma Walter schon 1989 demonstrierte !

Hinterradaufhängung

Die hintere Einarmschwinge der K-Modelle wird von den meisten Gespannbauern als ausreichend angesehen. Andere, wie HGT, rüsten auf konventionelle Stahlschwingen um. Dem höheren Gewicht und der stärkeren seitlichen Belastung wegen werden verstärkte Federbeine verwendet. In jedem Fall müssen die Räder ausgetauscht werden, zu verschieden sind die Anforderungen an Gespann- und Solobereifung. Die Einarmschwinge bietet hier den Vorteil, dass sie breiteren Rädern nicht im Weg ist, wobei die alte Monoleverschwinge schmaler als die Paralever-Version baut. Kurioserweise gibt es im Gespannbereich darum Hersteller, die auf die ältere Schwinge zurückrüsten. Der entstehende Spurversatz zwischen Vorder- und Hinterrad ist bei den meisten Gespannen unkritisch. Als Standardgröße gelten 15 Zoll-Räder mit 125- oder 135 mm breiter Autobereifung. Bei neueren Umbauten werden gerne Smart-Räder verwendet, deren Dimension ideal für Gespanne ist. Der geringere Abrollumfang der Reifen sorgt für eine etwas kürzere Übersetzung. Da aber der Tacho von einem Geber am Hinterrad mit Impulsen versorgt wird, muss die Elektronik angepasst werden, sonst stimmt die Anzeige nicht mit der Realität überein. Idealerweise ist die Auspuffanlage einseitig links verlegt, so dass hier keine kostspieligen Neuteile benötigt werden und der Passagier kaum von Abgasen im Boot belästigt wird.

Vorderradaufhängung

Die vordere Seriengabel der K75 bis 1100 wäre den seitlichen Biegekräften im Gespannbetrieb wohl ebensowenig gewachsen wie die Felgen. Ein “wahlweiser” Umbau, der wechselnden Betrieb mit oder ohne Seitenwagen erlaubt, ist bei der K-Serie darum (abgesehen vom unten abgebildeten Schwenkergespann) nicht möglich. Stattdessen verwendet man auch hier eine spezielle Felge mit PKW -Reifen, geführt von einer stabilen Schwinge mit Federbeinen. Alternativ hierzu gibt es auch Konstruktionen mit Achsschenkellenkung, z.B. für die K1200 RS (RDS Cocoon-Umbau von Kalich). Vorteil: die Entkoppelung von Radführung, Federung und Lenkung, trotz Breitreifen ist die Lenkung leichtgängig. Allerdings sind derartige Umbauten nicht gerade billig. Zudem erfordert die einseitige Radaufhängung eine Neukonstruktion der vorderen Bremsanlage, im Fall der Kalich-RDS eine Einzelscheibenbremse mit zwei Vierkolbenzangen

 

 

Mit Umbaukosten von mindestens 12.300 Euro gehört die RDS-K1200 RS von Kalich sicher nicht zu den Einsteigergespannen. Wer sich dennoch darauf einlässt, bekommt Technik vom Feinsten: Eine Achsschenkellenkung gehört zum Serienstandard, der Cocoon-Seitenwagen ist auch in mitlenkender Ausführung erhältlich. Über 80 cm Sitzbreite warten auf die Mitfahrer.

Schwenkergespanne

Solofahren mit dem Gespann”, so könnte man umschreiben, was Ralph Kalich mit seinen Schwenkergespannen anbietet. So neu ist die Idee nicht: bereits 1935 gab es in Deutschland ein Patent für Schwenkergespanne. Grundsätzlich gibt es zwei Bauformen: schließt man das Gespann möglichst tief über Kugelgelenke an, bleibt der Beiwagen in der Waagerechten. Einen anderen Weg gingen Anbieter wie Side-Bike, bei deren Gespannen auch das Boot in Schräglage geht. Das abgebildete Kalich Swing-Gespann auf Basis der K1100 RS zählt zur ersten Kategorie. Da die K1100 im Prinzip “solo” fährt, bleiben Gabel und Räder der BMW unangetastet. Zum Glück, denn die BMW kann mit zwei Schrauben und einem Stecker vom Beiwagen getrennt werden und ist dann mit dem Segen des TÜV wahlweise solo unterwegs ! Fahren mit dem Schwenkergespann ähnelt ohnehin mehr dem Solomotorrad: rechts herum sind problemlos bis 45 Grad Schräglage möglich, links herum begrenzt nur die Reifenhaftung die Schräglage. Vorsicht: in Linkskurven lehnt sich die Zugmaschine weit aus der Gespannsilhouette heraus

Eine ungewöhnliche Perspektive bieten Schwenker- gespanne wie die hier abgebildete Kalich-BMW K1100 RS mit Swing-Beiwagen. Fahrdynamisch ähnelt ein solches Gespann eher der Solomaschine als anderen Gespannen. Die Fahrwerksum- bauten am Motorrad beschränken sich auf den Hilfsrahmen. Aus fahrtech- nischen Gründen wird der Seitenwagen nicht gebremst. Interessant für Familienober- häupter: gegen Aufpreis kann ein zweiter Stecksitz im Boot montiert werden. Ein Erwachsener und ein Kind finden so hintereinander Platz. Preis für den Gespannumbau: ab 5555 Euro.

Zum Vergleich:bei der von EZS vertriebenen Flexit-Konstruktion gehen Fahrer und Passagier gemeinsam in Schräglage. Das Beiwagenrad läuft mittig unter dem Boot; ein Mechanismus verhindert das “Zusammenklappen” des Gespanns. Dennoch sind diese so genannten “Pendelgespanne” fahrerisch anspruchsvoller. Der Einfluss des Bootes auf die Zugmaschine ist hier größer. Anfang der neunziger Jahre kostete dieser Umbau rund 10.000 DM, also 5100 EUR.

Foto: Axel Koenigsbeck

 

Die “andere Hälfte vom Gespann”

 

Apropos Bremsen: natürlich weisen auch die Seitenwagen Bremsen auf, so dass eine Verbindung zur Serienbremsanlage erfolgen muss. Dies geschieht durch eine Kombination mit der Hinterradbremse. Und wir sind schon beim Seitenwagen angekommen, der “anderen Hälfte vom Gespann”. Was gibt es da nicht alles für Konstruktionen: schmal oder breit, offen oder geschlossen, von klassisch bis modern...die Auswahl ist groß. Zunächst stellt sich die Frage, wer im Boot mitfahren soll. Klar, ein Erwachsener hat immer Platz, aber je nach Boot kann zusätzlich ein Kind ab etwa drei Jahren vor oder neben dem Elternteil Platz nehmen. Obligatorisch in diesem Fall: ein Auto-Kindersitz oder, bei älteren Kindern, Hosenträgergurte. Übrigens herrscht trotz der Gurte im Beiwagen Helmpflicht, obwohl dies bei Kleinkindern aus ärztlicher Sicht wenig Sinn ergibt (Stichwort: HWS-Syndrom, Schleudertrauma durch das höhere Gewicht des behelmten Kinderkopfs). Angaben der Beiwagenhersteller über die Sitzbreite sind nicht immer realistisch: was nutzt ein 82 cm breites Sitzpolster, wenn das sich nach oben verjüngende Boot nur 75 cm Platz lässt ? Um ein Probesitzen kommt man also nicht herum, sollen die Arme des Passagiers doch während der Fahrt nicht nach draussen baumeln...Beim Gepäckraum sind bis über 300 Liter Volumen möglich. Soviel Gepäck brauchst Du nicht ? Prima, dann bleibt noch Platz z.B. für einen Zusatztank, mit dem sich die Reichweite verbessern lässt. Denn: zehn Liter Verbrauch pro 100km sind in Gespannfahrerkreisen durchaus üblich.

 

Natürlich beeinflusst die Größe des Bootes auch das Fahrverhalten des Gespanns. Je schmaler die Spurweite und je leichter das Boot, desto eher steigt in Rechtskurven der Beiwagen. Große Tourengespanne wie der Stoye RT-Umbau von Walter bringen es dagegen auf stolze 1,40 Meter Spurbreite bei 480 kg Leergewicht -so ein Brocken klebt in Rechtskurven zwar förmlich auf der Straße, aber übertreiben sollte man dennoch nicht: der beladene Seitenwagen schiebt sonst das ganze Heck aus der Kurve. Ohnehin gilt, dass der Gespanneuling unbedingt einen speziellen Fahrkurs absolvieren sollte. Weder Auto- noch Motorradpraxis sind von Nutzen, soll das asymmetrischste aller Fahrzeuge “auf Kurs” gehalten werden. Adressen von Kursanbietern erfährt man bei den Gespannherstellern, die Preise liegen je nach Kursdauer und Leistungsumfang zwischen 125 und 420 Euro, Übungsgespanne inklusive. Wer sein eigenes Gespann mitbringt, kann sich auch an den ADAC Nordrhein (Tel. 02254/81158) wenden. Hier kostet der Eintageskurs für Mitglieder etwa 85 Euro.

 

Was kostet Gespannfahren ?

Diese Frage versuchte Volkmar Prietz von der Firma MOTEK möglichst preiswert zu beantworten. Er nahm eine verunfallte K100 (Kaufpreis € 1500,-), die er mit einem gebrauchten Boot sowie neuem Hilfsrahmen samt Schwinge kombinierte. Folgende Kosten fielen dabei an (bezogen auf K100 Basis):

  • Hilfsrahmen € 950,-
  • Vorderradschwinge € 1150,-
  • Smart-Hinterrad mit Adapter € 380,-
  • EML-Vorderrad, gebraucht € 250,-
  • Beiwagenboot und -chassis (gebraucht, Einsitzer) € 750,-

Alles in allem blieb er bei diesem Projekt, seinem Privatgespann, noch unter 5000 Euro. Wohlgemerkt: inklusive Zugmaschine ! Sicherlich sind für diesen Preis weder makelloses Finish noch Extravaganzen wie Zusatztanks machbar. Trotzdem beachtlich, denn für kleines Geld (und reichlich unbezahlte Mühe) entstand ein Alltagsgespann mit immerhin 90 PS und Kardanantrieb. Läßt man die eigene BMW vom Fachbetrieb umbauen, so sind bei preiswerten Seitenwagen etwa 7500-10.000 Euro Umbaukosten realistisch, falls ausschließlich Neuteile Verwendung finden. Eine andere Alternative ist der Kauf eines Gebrauchtgespanns auf BMW K-Basis. Auch hier sind ungefähr 7500-10.000 Euro anzulegen; verkauft man aber die bisherige Solomaschine, so wird man für ein Gespann im gleichen Zustand sicherlich nicht mehr als 5000 Euro zuzahlen müssen.

Wo gibt es konkrete Informationen ?

Auf der Linkseite von www. flyingbrick .de sind einige Gespannhersteller verzeichnet. Noch mehr Adressen und weitere Infos bekommt man bei Motorrad Gespanne, der einzigen Gespann-Fachzeitschrift Deutschlands. Dort erhält man auch Das große Handbuch für Gespannfahrer, ein lesenswertes Taschenbuch mit vielen Informationen zu Fahrwerkstechnik, Umbaumöglichkeiten und Herstel