Das Projekt K569: die Dreizylinder von BMW

 

Bei der Konstruktion der K100 war von Anfang an geplant, die Baureihe nach unten hin zu erweitern. Zwar sollten die Boxermodelle mit bis zu 800 ccm weiter gefertigt werden, aber es erschien verlockend, die enorm zeit- und kostenaufwendige Neukonstruktion als Baukastensystem für mehrere Hubraumklassen zu nutzen. Wegen sich abzeichnender Probleme, die Boxer den steigenden Anforderungen an Schadstoffarmut, Lärmschutz und nicht zuletzt Motorleistung anzupassen, war der K-Motor auch hier erste Wahl. Wie im Artikel über die K100 beschrieben, plante man zunächst Vierzylinder mit 1300 ccm und Dreizylinder mit 1000 ccm. Die Tatsache, dass diese Motoren zu lang und schwer waren, führten jedoch zur Entwicklung kleinerer Hubräume. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man beim kleineren der Motoren überlegte, einen Vierzylinder zu bauen. Dann jedoch wäre der Motor kaum leichter geworden als der „große“ Vierzylinder. Schlimmer noch, er wäre auch kaum billiger herzustellen gewesen.

 

 

So kam es zu der Entscheidung, den zunächst „K4“ genannten Vierzylinder um eine Zylindereinheit („K3“) zu verkürzen. Sehr viele Bauteile bis hin zu den Kolben konnten so einfach für beide Modelle Verwendung finden. Die Annahme jedoch, dass man sozusagen nur eine Eisensäge brauchte, um aus einer K100 eine K75 zu machen, ist falsch. Bei allen Parallelen zwischen den Motoren fand man schnell heraus, dass es sehr unterschiedliche Probleme gab. Verursacht der Vierzylinder schwingungstechnisch das bekannte „Kribbeln“ in den Fingern, so vibriert der Dreizylinder aufgrund der Massemomente erster Ordnung recht heftig. Die auch bei der K100 vorhandene Abtriebswelle unter der Kurbelwelle erhielt bei der K75 daher zwei Ausgleichsgewichte. Der gegenläufige Drehsinn dieser Welle (und damit auch der Kupplung) sorgt übrigens bei allen K-Modellen dafür, dass sich beim Gasgeben nicht gleich das ganze Motorrad zur Seite neigt. Apropos Kupplung: Der dort angebrachte Antriebsruckdämpfer, besser: dessen Gummielemente waren den Schwingungen nicht gewachsen. Erst eine modifizierte Trockenkupplung der R80 brachte zufrieden stellende Ergebnisse.

 

Der 740 ccm große Dreizylinder musste jedoch weiter modifiziert werden, um das angepeilte Ziel von 75 PS zu erreichen. Die Literleistung dieses Triebwerks musste um immerhin 10% gesteigert werden. Möglich wurde dies vor allem durch eine andere Brennraumform und daher höhere Verdichtung. Mit 11:1 verdichtet, brauchen K75 aller Baujahre Superbenzin. Durch die um zwei Jahre längere Entwicklungszeit darf der Treibstoff aber grundsätzlich bleifrei sein –frühe K100 verlangen nach verbleitem Benzin. Man darf heute spekulieren, ob die Markteinführung der K75 aus technischen oder marktpolitischen Gründen erst 1985 stattfand. Tatsache ist, dass einige Probleme, die an frühen K100 auftraten, der K75 erspart blieben. Bemerkenswert sind die Auswirkungen, die der kürzere und rund 10 kg leichtere Motor auf das Fahrverhalten hat. Deutlich handlicher als die K100, litt der Geradeauslauf aufgrund der geringeren Vorderradlast ein wenig. BMW reagierte auf entsprechende Testberichte schon im Januar 1986 mit der Montage eines „Fluidblocks“ im Lenkkopf, der durch Reibung die nervöse Vorderpartie beruhigen sollte –und damit wieder etwas Handlichkeit der K75 aufbrauchte.

 

 

Womit wir beim Fahrwerk wären. Der Rahmen der K75 unterscheidet sich vom K100-Pendant durch flacher stehende vordere Rohre. An der Gabel wird in Höhe des Schutzblechs eine als Stabilisator wirkende dritte Gabelbrücke verbaut. Im August 1985 werden zunächst zwei Modelle vorgestellt: die K75 C mit lenkerfester Cockpitverkleidung, Trommelbremse hinten und 18 Zoll-Hinterrad als Einsteigermodell. Für sportlich orientierte Fahrer gibt es die 75 S mit betont schlanker, rahmenfester Halbschalenverkleidung. Hier findet das K100-Hinterrad mit 17 Zoll und Scheibenbremse Verwendung. Der hintere Federweg der „S“ war zwar identisch mit der „C“, das Federbein zugunsten sportlicher Fortbewegung aber härter abgestimmt. Der vordere Federweg der K75 S wird auf 135 mm reduziert (K75 C: 185 mm). Die Federelemente der K75 S werden auch für die K100 als Sportfahrwerk angeboten.

 

  Als äußeres Merkmal der eher ungewöhnlichen Zylinderzahl erhält die K75-Reihe einen Auspuff mit dreieckigem Querschnitt, der formal gefälliger wirkt als bei der „großen K“. Vor allem aber hat die K75 den schöneren Klang. Der Dreizylinder lässt das Primärtriebsheulen der K-Modelle nicht so sehr in den Vordergrund treten.

 

Ein Jahr nach Markteinführung der K75-Reihe wird die unverkleidete K75 vorgestellt. Dieses Modell ist mit 11.990 DM das günstigste Angebot der ganzen Baureihe und orientiert sich technisch am C-Modell. Das Käuferinteresse an der K75 C schwindet daraufhin rapide zugunsten des neuen Modells, und so verwundert es kaum, dass 1990 die Basis-K das Modell mit Cockpitverkleidung ganz ersetzt. 1989 wird mit der K75 RT das vierte und bis heute erfolgreichste Dreizylindermodell vorgestellt. In der Ausstattung praktisch mit der K100 RT identisch, rundet sie die Baureihe zu den komfortablen Tourern hin ab. Nicht nur Privatleute finden Gefallen an der K75 RT, als Behördenfahrzeug bestimmte sie mit spezieller Ausstattung jahrelang das Bild bei Staatsbesuchen, wurde von Notärzten und Stauhelfern eingesetzt und nahm dabei so schnell nichts krumm. Da störte es auch wenig, dass die großen Modellpflegemaßnahmen, die BMW den Tausendern angedeihen ließ, bei der 750er ausblieben: nie gab es Vierventiler, den geregelten Kat oder die Paralever-Schwinge an der K75.

 

 

Der Erfolg der K75 war im Ausland weit größer als in Deutschland. Nicht, dass der Prophet im eigenen Lande nichts galt. In Ländern mit Tempolimits ist jedoch der Unterschied zwischen 750 und 1000 ccm nicht so prestigeträchtig wie in Deutschland. So kommt es, dass von 67.964 K75 nicht einmal ein Fünftel in Deutschland blieb. Spanien, Frankreich und die USA waren die Hauptabsatzländer. Mit insgesamt elf Jahren Bauzeit blieb die K75 länger im Programm als die Tausender. Zum Abschied 1996 präsentierte BMW noch einmal die K 75 und K75 RT als “Ultima”-Modell. Bei der Basis bedeutete dies die Lackierung in kobaltblau mit silbernen Zierlinien, Dreispeichenräder (wie bei der K100 RS 16, aber in anderen Dimensionen), Windschild, Tourenlenker mit Heizgriffen, ABS, U-Kat, Kofferhalter und Gepäckbrücke. Allerdings lag der Preis mit 19.950 DM auch derart hoch, dass man kaum glauben wollte, dass hier das ehemals billigste K-Modell als Basis diente. Immerhin lieferte BMW zum gleichen Preis schon eine R1100 R... Die ebenso gut ausgestattete K75 RT Ultima war gar noch 4000 DM teurer, beinhaltete allerdings sogar die elektrisch verstellbare Scheibe der K11100 LT. Die Ultima-K75 hatte übrigens nur noch 68 PS, sieben weniger als am Anfang ihrer Karriere. Bis zuletzt wurde für rund 400,- DM die Umrüstung auf 50 PS angeboten. Seit dem Abschied 1996 baute BMW nie wieder Dreizylindermodelle.